Die Buchbranche hat sich – trotz konjunkturellen Aufschwungs – an sich durch Zahl und Heftigkeit überraschende Hiobsbotschaften und an das Klagen auf hohem Niveau gewöhnt. Härte und Tempo des Selektions-Prozesses nehmen zu. Die durch den Zusammenschluss verschiedener Verlage zu Konzernen und Verlagsgruppen entstandene Marktmacht ist für kleinere Unternehmen nach wie vor ein Alptraum. Umsatzeinbrüche sorgen für Panik und Verunsicherung. Die meisten Probleme der Verlage und Sortimente kommen aber nicht aus heiterem Himmel: Sie sind strukturell bedingt und damit Ergebnis oder Teil des etwa zwanzigjährigen Strukturwandel-Prozesses in Handel und Verlag.
Da man sich in der Buchbranche Veränderungen weder richtig vorstellen kann noch will, wird die Krise nicht als Chance für offensives Handeln gesehen. Doch wer in Zeiten des Wandels nicht aktiv wird, überlässt die Nutzung von Chancen anderen.
Welche Chance hat ein neuer Verlag? Auf den Thiele Verlag wartet „dort draußen“ niemand. Aber was bedeutet das schon? Ist überhaupt schon jemals ein neuer Verlag herbeigesehnt worden? Wer braucht einen neuen Verlag? Niemand! Ich sage: Alle brauchen ihn.
Die erste Reaktion von BuchMarkt-Chefredakteur Christian von Zittwitz auf die Pressemitteilung zu unserem neuen Unternehmen war genau diese Frage: „Warum noch eine Neugründung? Gibt’s nicht schon genug Verlage?“ Darauf hatte ich nur eine Antwort: Es gibt zwar mehr als genug Probleme in der Welt, aber sicherlich nicht genug Verlage, die unabhängig und kreativ sind, die etwas Besonderes bieten, nicht die karge und austauschbare Durchschnittskost der Kopieranstalten in den Konzernen.
Am Anfang eines solchen neuen Unternehmens kann nichts anderes stehen als Vertrauen. Vertrauen in ein eigenständiges, mittelständisches, unabhängiges, persönlich und mit verlegerischer Handschrift geführtes Unternehmen, das sich im Markt mit allen Vorzügen aufstellen und präsentieren will: in einer Offensive aus Charme und Kompetenz. Wir wollen zeigen, dass wir über die Ressourcen, die Innovationskraft, die Schnelligkeit und Flexibilität verfügen, um dem Wettbewerbskampf zu trotzen.
Daher hier eine Art verlegerisches Credo. Ich sehe den Thiele Verlag als kleinen Verlag, aber nicht als Kleinverlag. Und auch nicht als Nischenverlag. Er macht weder ein literarisches noch ein bloß kommerzielles Unterhaltungsprogramm. Wohl aber eines mit der Ambition einer hohen Aufmerksamkeit und Resonanz beim Publikum. Der Thiele Verlag gehört in keine Nische. Er gehört als kleiner Exot mitten ins Geschehen.
1. Kreativität. Der Thiele Verlag gibt eigenen Ideen, eigenen Programmentwicklungen den Vorzug vor teuren oder gar überteuerten Einkäufen. Kreativität, Einfallsreichtum, Risikobereitschaft, Ideenfreude sind für mich unverzichtbar.
2. Marktorientierung. Im Thiele Verlag steht Qualität vor Quantität. Ich setze mir nicht das Ziel, möglichst viele und möglichst heterogene Bücher zu machen, sondern das, was ich am besten kann. Ein überschaubares, aber auch wahrnehmbares Programm. Ich delegiere Marktdenken nicht, sondern betrachte es als elementare Grundlage meiner Programmarbeit.
3. Intention. Der Thiele Verlag ist konsequent auf intelligente Unterhaltung ausgerichtet. Auch im Sachbuch stehen unterhaltsam, ja amüsant aufbereitete Inhalt im Vordergrund. Wir sind nicht der Verlag, der aufklären, belehren, informieren oder kontroverse Diskussionen im Feuilleton auslösen will. Bücher und Autoren, die weder zu unterhalten noch die Leserinnen und Leser zu inspirieren oder zu berühren vermögen, können in unserem Verlagsprogramm keinen Platz finden.
4. Ausstattung. Einem qualitätsbewussten Niveau der Themenfindung entspricht eine neu erprobte Kunst der Ausstattung: Sie sollen schön sein, die Bücher, sie sollen gut in der Hand liegen und die Sinne erfreuen. Ihnen soll alles gegeben werden, was möglich ist. An Originalität, an Liebe wird in diesem kleinen, durchdachten und möglichst intelligenten Programm also nicht gespart. Ich bin sicher, Buchhandel und Publikum werden das zu schätzen wissen.
Ich habe mich dagegen entschieden, meinem Verlag bestimmte Genres zuzuweisen, bestimmte Niveaus, bestimmte Zielgruppen. Unterscheidbar werden sie allein durch ihr unverwechselbares Gesicht sein: das Programm als ein Festival des Erzählens, eine Inszenierung ambitionierter und zugleich bestens verkäuflicher Unterhaltung.
Ein so überschaubares, kleines Programm, wie es der Thiele Verlag seit Jahren bietet, muss besonders überlegt konzipiert und kuratiert sein, da muss jedes Buch seinen eigenen, unverwechselbaren Reiz haben: Hier ist die Bühne nicht für Genreproduktion (also die Durchschnittsware an Frauenromanen, Krimis, Historischen Romanen, Thrillern), sondern für Bücher mit dem besonderen Flair, für die exquisiteren Lesevergnügungen, für Trouvaillen abseits des Mainstreams und doch wie geschaffen für die Unterhaltungsbedürfnisse jener Leserinnen und Leser, für die Bücher noch immer eine ganze Welt sind.